Um die Welt in 40 Monate (3).
»In den Safari-Parks bekommt man keinen Kontakt zu den Tieren«
Neugierig, wie fremde Wesen, wurden wir als Radfahrer in der Wildnis Kenias von den Giraffen am Wege bestaunt.
»Wir haben ihre Blicke gespürt und sie wie eine stumme Zwiesprache empfunden«
In den Parks dagegen machten wir die Erfahrung, daß die Tiere abgestumpft waren, gewöhnt an den Menschen, dem sie, wie dieses Äffchen beim Frühstück in Kenia, aus der Hand fraßen. Die Elefanten dagegen zeigten sich unbeeindruckt von uns Radfahrern aus den Niederlanden und überquerten gemächlich die Straße.
Tansania: Auf dem Rad kommen wir nicht dicht daran, aber die Interacktion ist umso größer.
I
m Norden Äthiopiens, zwischen Gondar und Addis Zemen, radelten wir nachmittags in ein Dorf, sechs kegelförmige Hütten, die Dächer aus Gras, die Wände aus Reisig und Lehm. Wir hatten einige Worte Amharisch gelernt und fragten den Häuptling, einen ernsten, alten Mann mit weißem Kinnbart, der etwas besser gekleidet war als die anderen, ob wir in seinem Dorf zelten dürften. Er trug einen Turban und hatte ein Tuch um seinen Oberkörper geschlungen; alles hatte die graugelbe Farbe der Erde, auf der er lebte.
Wir kannten kein amharisches Wort für "Zelt" und benutzten das Wort "Hütte". Der Häuptling bot uns ohne Zögern eine seiner Hütten als Quartier an. Als wir bemerkten, daß die uns zugedachte Behausung erst von einer Familie geräumt werden mußte, bauten wir unser Zelt
auf, und da verstand er. Der Häuptling verbrachte die kalte Nacht vor unserem Zelt, um uns, wie er sagte, vor Banditen zu schützen. Als wir am nächsten Morgen unser Frühstück gegessen hatten, schlief er noch immer. Sein Wachschlaf war nur eine Geste der Freundschaft, denn uns drohte keine Gefahr.
Kenia: So nah an einer fressenden Löwin anzugehen, würden wir mit dem Rad freilich nicht wagen.
Auf dem Fahrrad kann man sich der täglichen Herausforderung zur Solidarität nicht entziehen, und umgekehrt haben wohl auch die Menschen, die uns gesehen und mit uns gesprochen haben, gespürt, daß wir vor allem ihre Hilfe benötigten. Nur in einem einzigen Dorf sind wir in Indien von einem Bettler behelligt worden. In den großen Städten dieses Landes, dort, wo die Armeen der Armut um ihr täglich Brot kämpfen, hat man uns meist nur angeschaut. Man hat uns Hände gezeigt, an denen die Finger fehlten, aber diese Menschen sind stumm geblieben. Sie haben uns nie belästigt, nur ab und zu ist ein Kind hinter uns hergegangen, und wir haben ihm eine Banane oder irgendeine andere Kleinigkeit zu essen gegeben.
In über drei Jahren Weltreise haben wir fast 27.000 Mark ausgegeben, ein Vermögen für die meisten Menschen, die uns begegneten. Aber sie hielten uns für arm, und daran mag es gelegen haben, daß wir in allen fünf Kontinenten nur einmal in einen Korruptionsfall verwickelt wurden. Das war in Panama.
I n einem Einbaum mit Außenbordmotor, den ein kolumbianischer Mestize steuerte, waren wir ins Land gekommen. Er hatte uns und die Räder durch die drei Meter hohe Brandung um das Cabo Tiburón gebracht, und Nelly hatte sich dabei die Seele aus dem Leib gespuckt.
Jetzt erwartete uns in Puerto Obaldia ein fetter Beamter der Einwanderungsbehörde, dem wir den Besitz von 300 Dollar nachweisen mußten. Die hatten wir. Was wir nicht hatten, war ein Visum.
Der Visa wegen, verfügte der Beamte, müßten unsere Pässe nach Panama City geschickt werden, und zwar mit dem Flugzeug, denn das war die einzige Verbindung zwischen dem Grenzort und der Hauptstadt. Bis sie zurückkämen, sagte er, müßten wir bleiben. Dann nahm er uns 20 Balboas ab und sagte, auch die müßte er nach Panama City schicken.
Kenia: obwohl ganz erweichend, die Tiere verhalten sich Menschen gegenüber nicht unbeinflusst
In Puerto Obaldia, einem Fischerort mit Kokospalmen und Bambus-hütten, war Karneval. Die Bewohner, Schwarze, Mulatten, Mestizen, Weiße spanischer Herkunft, feierten ihn mit der Hitze ihrer Rassen. Außer Conchita, jener jungen, heißblütigen Negerin, die uns die Hälfte ihrer Bambushütte überlassen hatte. Denn sie hatte keinen Mann, sie hatte ihn in Kolumbien zurückgelassen. Eigentlich war sie auf dem Weg in die USA, aber sie hatte kein Geld, und nun war sie schon drei Monate hier. Sie nähte für die Franen des Ortes und sparte jeden Pfennig. Trotzdem nahm sie uns für das Quartier keinen Cent ab.
Nach fünf Tagen kamen die Pässe. Ich ging mit ihnen zu dem fetten Beamten, der betrunken auf seinem Bett lag, das Gesicht mit Spaghetti und Tomatensoße beschmiert. Es war noch immer Karneval.
"Hier sind die Pässe", sagte ich.
Er blinzelte mir aus dicken Augenwülsten zu und sagte:
"No, Señor, hoy dia no trabojo."
"Gut", sagte ich, "wenn heute keine Arbeit, dann morgen."
Er war auch am nächsten Tag noch betrunken.
"Hoy dia no trabojo", stöhnte er wieder. "Mañana."
"Aber unser Flugzeug geht heute", sagte ich.
Eine Stunde vor dem Start holte ich ihn schließlich mit Hilfe seiner Frau aus dem Bett, und fluchend stempelte er unsere Pässe.
Tansania: die Elefanten reagierten eigentlich wie erwartet, nach einer kurzen Weile, gingen sie ihren Weg, die Straße freimachen für uns Radler