Um die Welt in 40 Monate (1).





»Es ist die geistige Anstrengung, die eine Fahrrad-Weltreise zur Strapaze macht«
Für dieses Foto unter dem Standbild Lenins vor dem Bukarester Kulturpalast haben wir auch unsere Räder vor dem Selbstauslöser aufgebaut. In den großen Städten benutzen wir meist die öffentliche Verkehrsmittel. Unsere Räder stellten wir derweil unter - häufig in unserem Hotelzimmer.
I
n Mbeya trafen wir unseren Landsman, den Niederländer zum zweitenmal. Kennengelernt hatten wir ihn wenige Tage vorher in Morogoro, 450 Kilometer weiter nordöstlich. Er fuhr, wie wir, von Norden nach Süden durch Tansania. Aber er fuhr mit dem Auto.
"Fanden Sie diese Strecke nicht furchtbar eintönig?" fragte er uns in Mbeya.
Ich sah Nelly an: "Welche Strecke meint er?"
Das war keine Koketterie. Ich hatte ihn wirklich nicht verstanden. Er sprach, wie ich schließlich herausfand, von der 200 Kilometer langen Asphaltstraße von Iringa nach Makambako, die, oft schnurgerade, durch weithin flaches Grasland führt. Er glaubte, die Monotonie der Landschaft sei tödlich für einen Menschen, der sie auf dem Fahrrad durchquerte und zwei Tage dafür brauchte.
In Wirklichkeit war die Landschaft alles andere als eintönig. Eintönig war nur die Fortbewegungsart unseres Landsmannes. Monoton der Lärm seines Autos, der die zeitweilig dramatische Stimmen der Landschaft übertönte, monoton war seine Geschwindigkeit, die ihn in nur zwei Stunden über die 200 Kilometer brachte, die die weite, buschige, in allen Farben zitternde Ebene zu einer bleiernen, grünen Plattheit nieder walzte.
Unser Landsmann hatte nicht die klare Luft geatmet. Er hatte im Sand die Zeichnungen nicht gesehen und nicht die kleinen Blumen, deren Kelche der letzte Regen geöffnet hatte, er hatte die Echsen nicht bemerkt, die den roten Sand unter sich wegtraten, wenn sie neben der Straße die Böschung hinaufstrebten, er hatte, ich bin sicher, außer dem grauen Band der Fahrbahn nichts gesehen.

Argentien: Die Landschaft sieht öde aus ist aber in Wirklichkeit unheimlich farbenprächtig und abwechselungreich.


Ein anderes Mal während unserer Weltreise mit dem Fahrrad, an der indisch-pakistanischen Grenze in der Nähe von Lahore, standen sechs englische Landrover vor uns, beladen mit Pontons zum überqueren von Schlammzonen, mit Reservetanks, Konserven, Trockengemüse, Moskitonetzen und Medikamenten. Ein pakistanischer Grenzbeambter hatte die Papiere der Landrover-Leute auf dem Klapptisch und eine sehr strenge Miene im Gesicht. Aber als er Nelly und mich sah, Fahrradtaschen auf dem Gepäckständer, eine Flasche aus Plastik am Rahmen, da lachte er breit und rief:
"Kommt her, meine Freunde! Setzt euch zu mir!"
Er ließ uns Stühle bringen und plauderte ausgiebig mit uns. Er wollte wissen, woher wir kamen, wohin wir wollten, wie lange wir schon unterwegs waren, und dann, als wollte er unsere Reisezeit nicht unnötig verlängern, wischte er mit einer großen Gebärde die englischen Pässe beiseite und stempelte, sorgsam eine freie Stelle suchend, die unseren. Wir waren schon einen halben Tag lang weitergeradelt, ehe die Landrover uns überholten.
Nur in den großen Städten haben wir auf unsere Fahrräder verzichtet, denn nur dort haben wir sie als lästig empfunden. Wir haben sie in Hotels, meist in unseren Zimmern, gelassen. Den Hotelbesitzern war das recht, denn so mußten sie nicht auf die Räder acht geben.
Wir sind täglich bis zu 150 Kilometer gefahren - wenn die Straßen gut waren. Wir haben uns auch mit 15 begnügt, wenn die Wege mehr nicht zuließen. Das hatte den Vorteil: Je öfter man anhalten muß, desto größer sind die Erfahrungen mit den Menschen unterwegs. Für uns gab es nur eine wirkliche Gefahr: die Autos. Ihretwegen - und weil wir tiefer in die Welt eindringen wollten - benutzten wir vornehmlich Seitenstraßen.